Gemeinsam LebensSchauKästen gestalten
„Gemeinsam LebensSchauKästen gestalten“ – Juni 2013
Seit dem15. März wurde kontinuierlich einmal pro Woche im AWO Service Haus am Sandberg Geschichte bearbeitet. Hier trafen sich Seniorinnen, Azubis, Schüler und Schülerinnen um unter der Leitung von Johannes Caspersen Stück für Stück ein großes Wandobjekt zu gestalten. Die Basis für diese Gemeinschaftsarbeit bildeten ausgediente kleine und große Holzschubladen, die mit Zahlen, Ziffern und Zeichen versehen sind. Sie entstammen einer alten aufgegebenen Tischlerei und dienten insgesamt als Magazin für Schrauben, Nägel, Beschläge und so weiter. Haben also selbst schon Geschichte geschrieben.
Die einzelnen, nicht genormten Kästen bekamen nun ein zweites Leben, indem sie als Behältnisse für individuelle Erlebnisse genutzt werden. Insgesamt 12 Teilnehmer bauten dahinein Anekdoten, Schicksalhaftes oder einfach Zeitgeschichtliches.
Da sich das Teilnehmeralter über 3 Generationen erstreckte, also Jahrgänge von 1925 über 1968 bis hin zu 1995 umfasste, standen natürlich ganz unterschiedliche Themen im Vordergrund: Bei den Jüngsten, den Schülern war es etwa die Fußballweltmeisterschaft von 2006, in der ein neues nationales Selbstbewusstsein quer durch die Republik erwachte. Aber auch individuelle Familienerlebnisse, die auf Facebook gepostet und diskutiert werden können. Diese Generation ist bereits in einer digitalen Welt aufgewachsen.
Bei den Teilnehmerinnen der mittleren Generation, die zurzeit eine Qualifizierung zur Pflegeassistenz und Betreuungskraft bei der Wirtschaftsakademie in Flensburg absolvieren, wurden Themen wie der Mauerfall 1989 oder die Schneekatastrophe von 1978/79 aber auch der Umgang mit Medikamenten oder die neue Freiheit sich zu tätowieren angesprochen. Ein Beitrag beschäftigt sich mit Vietnam als Mutterland, das auf eigenen Wunsch verlassen wurde, um in Deutschland Fuß zu fassen. Diese Generation kennt sowohl die Schreibmaschine als auch die ersten Personal Computer. Die Seniorinnen beschäftigten sich sowohl mit Krieg und Vertreibung als auch mit dem Leben danach, in Friedenszeiten. Die Geschichte der Trümmerfrauen wird aus eigener Anschauung aufgegriffen. Über den Krieg gerettete Fotos, Postkarten oder Schmuckstücke sprechen eine sehr existentielle Sprache, sind sie doch teilweise letzte Erinnerung an Vergangenes, das nur so erhalten ist. Erfahrungen mit Vereinen, „Freizeit“ und berufliche Tätigkeiten sind ebenfalls Themen die es wert waren genannt zu werden. Die Schreibmaschine war das Instrument der Zukunft, allerdings längst nicht überall verfügbar. Die handschriftliche Nachricht war Tagesgeschäft. Die „Megabyte Sprache“ war damals unvorstellbar.
Die 12 Teilnehmer arbeiteten nicht nur jeder für sich, sondern vor allem miteinander. Es wurde bei der Recherche geholfen, es wurde sich auch privat außerhalb des Projekts getroffen um sich auszutauschen. Im Laufe der Zeit entstanden so diverse Ideen auf Grund gemeinsamer Gespräche. Am Anfang lagen 65 leere Kästen vor uns, nun sind sie fast alle gestaltet: Jeder Kasten ein Unikat,einige schnell, andere aufwendig hergestellt. Aus Kopien, Karten, Souvenirs, Fotos, Fundstücken und allerhand anderem Material. Farbe kam zum Einsatz, wie auch ein Hühnerei. Viel wurde geklebt. In einem Kasten verbirgt sich ein Leporello mit 16 Bildern zum Thema Dresden früher und heute.
Umfangreich ist die Ausstattung der Kästen geworden. Nur noch einige sind leer. Jetzt geht es darum das Gesamtbild zu entwickeln, die Kästen zu einem Wandrelief zu fügen. Dabei wird keine chronologische Linie entstehen. Alles steht gleichberechtigt nebeneinander. Dieses Bild wird für Vielfalt stehen, für die Vielfalt der möglichen Erlebnis-Denkräume. Auch der unmittelbaren Nähe, die diese Denkräume zueinander haben. Schlussendlich jedoch bildet sich durch das endgültige Wandbild ein soziales Gefüge ab, das die Zusammenarbeit 3er Generationen veranschaulicht, die sich begegnet sind und sich im Wortsinne „mit-geteilt“ haben.